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Bewegung & Fitness

Fettverbrennungspuls: Der perfekte Pulsbereich zum Abnehmen?

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Carola Felchner (Freie Autorin, für Nerdpol – Redaktionsbüro für Medizin- und Wissenschaftsjournalismus)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Madeleine Zinser (Ärztin, Content Fleet GmbH)

Wer Gewicht verlieren will, muss überschüssiges Fett loswerden. Besonders gut soll das mit Bewegung bei einem Puls, der sich Fettverbrennungspuls nennt, klappen. Aber stimmt das überhaupt? 

Wer abnehmen möchte und nach der effektivsten Methode sucht, stolpert bei seiner Recherche über unzählige Tipps, Regeln und Empfehlungen. Eine davon lautet, dass man in einem bestimmten Pulsbereich trainieren müsse, um dabei möglichst viel Fett zu verbrennen: dem „Fettverbrennungspuls“.

Was ist der Fettverbrennungspuls? 

Grob ausgedrückt ist der Fettverbrennungspuls jener Herzfrequenzbereich, bei dem der Körper zur Energiegewinnung möglichst die Fettreserven anzapft, anstatt seine Kohlenhydratspeicher. Streng genommen ist die Sauerstoffaufnahme entscheidend dafür, wie viel Energie durch die Fettsäureoxidation generiert wird. Bei einer Belastung um die 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) verbrennen wir am meisten Fett. 

Da Sauerstoffaufnahme und Herzfrequenz aber linear zusammenhängen und die Herzfrequenz leichter zu messen ist, wird sie häufig als Kontrollgröße für die sportliche Belastung herangezogen. Je nach Studie gibt es etwas unterschiedliche Angaben dazu, bei welchem Puls man am meisten Fett verbrennt. Als Richtwert gelten 55 bis 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz, also ein niedriger bis moderater Intensitätsbereich.

Denn, so die dahinterliegende Annahme, je gemäßigter die körperliche Betätigung und je niedriger der Puls, desto höher der Anteil an Fett, den der Körper zur Energiegewinnung heranzieht. „Bei niedriger Intensität sind es um die 70 Prozent, bei höherer nur noch um die 50 Prozent. Im Schwellenbereich und darüber kann der Anteil problemlos auch gegen Null gehen“, bestätigt Sportwissenschaftler Björn Geesmann, der an einem Trainings- und Leistungsdiagnostik-Institut Hobbysportler ebenso trainiert wie Profiathleten. 

Wie der Puls die Energiequelle bestimmt 

Der Körper kann vor allem zwei Quellen nutzen, um sich Energie für körperliche Belastungen zu holen: Kohlenhydrate und Fette.

  • Kohlenhydrate sind schnell verfügbar. Allerdings kann der Körper sie nur begrenzt speichern und vor allem unter Belastung nur eingeschränkt aufnehmen. Die Menge Kohlenhydrate, die der Dünndarm pro Minute verstoffwechseln kann, ist limitiert und lässt sich trotz zusätzlicher Nährstoffzufuhr nicht steigern. 
  • Fette können wir dagegen in quasi unendlicher Menge einlagern. Männer sollten im Durchschnitt einen Körperfettanteil von 12 bis 24 Prozent haben, Frauen 25 bis 31 Prozent. Doch selbst ein austrainierter Sportler mit 70 Kilogramm Körpergewicht und einem Körperfettanteil von nur sieben Prozent trägt umgerechnet rund 45.000 Kilokalorien an verfügbarer Energie aus Fett mit sich herum. In der Theorie genug für 10 bis 15 Marathons, schätzt Geesmann.

Mit Ausnahme von sehr schnellen Sprints, die nur wenige Sekunden andauern, nutzt der Körper immer beide Quellen – aber je nach Intensität zu unterschiedlichen Anteilen. Es gibt also keine Herzfrequenz, ab der die Verbrennung von Fett anfängt und die der Kohlenhydrate aufhört. Relevant für die Energiegewinnung sind der aerobe und der anaerobe Stoffwechsel.

Anaerober Stoffwechsel 

Dieses System funktioniert ohne Sauerstoffverbrauch (anaerob). Es nimmt anteilsmäßig überhand, wenn wir uns hochintensiv belasten. Das ist zum Beispiel der Fall bei schnellen Jumping-Fitness-Übungen, Sprints beim Fußball oder einer kurzen Tempoverschärfung, um auf der Joggingrunde die Konkurrenz abzuhängen. Hier greift der Körper hauptsächlich auf Glykogen, also in Leber und Muskulatur eingelagerte Kohlenhydrate zurück, die er ohne Zuhilfenahme von Sauerstoff als Energiequelle nutzen kann. Das geht sehr schnell, klappt aber nur über einen Zeitraum von bis zu zwei Minuten, weil dann die unmittelbaren Energiereserven im Muskel erstmal aufgebraucht sind.

Aerober Stoffwechsel 

Dieses System für die Energiegewinnung benötigt Sauerstoff. Es läuft vorwiegend auf Basis von Fetten und Kohlenhydraten, die es mithilfe von Sauerstoff in Energie umwandelt. Es ist besonders wichtig für den Körper, weil es nahezu unbegrenzt verfügbar ist. Aber: Das System funktioniert als primäre Energiequelle vorwiegend so lange, wie wir uns in einem niedrigen bis moderaten Intensitätsbereich bewegen. Aktiv und notwendig ist es also bei langen Ausdauereinheiten wie Radfahrten oder ausgedehnten Wanderungen, aber auch, wenn wir einfach nur dasitzen.

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Fettverbrennung: Mit welchem Puls sollte man trainieren? 

Welcher Puls sorgt für die beste Fettverbrennung, wo liegt der optimale Fettverbrennungspuls? Immer wieder geistern als Antwort auf diese Fragen Fettverbrennungs-Rechner oder -Formeln durchs Internet, mittels derer sich die maximale Herzfrequenz und damit auch der Fettverbrennungspuls berechnen lassen sollen.

Maximale Herzfrequenz

Eine Faustformel ist beispielsweise: 

  • Maximale Herzfrequenz = 220 – Lebensalter

Manche Ratgeber machen auch einen Unterschied zwischen den Geschlechtern, da Frauen tendenziell eine etwas höhere Herzfrequenz haben. So lautet die Formel dann:

  • für Frauen: Maximale Herzfrequenz = 206 – (Lebensalter x 0,88)
  • für Männer: Maximale Herzfrequenz = 207 – (Lebensalter x 0,7) 

Fettverbrennungszone

55 bis 85 Prozent dieser maximalen Herzfrequenz ergeben die Fettverbrennungszone, also den mutmaßlichen Pulsbereich für die Fettverbrennung. Diese Faustformelberechnungen funktionieren aber nur begrenzt.

Einschränkungen

„Der richtige Puls für Fettverbrennung ist eine Pauschalisierung. Indem man eine Standardformel verwendet, bekommt man lediglich einen Querschnittswert. Der ist über die breite Masse gesehen vermutlich nicht ganz verkehrt, aber nicht mehr als eine grobe Orientierung – zumal es ohnehin kaum möglich ist, gezielt einen Puls für hohe Fettverbrennung zu berechnen“, erklärt Sportwissenschaftler Geesmann. 

Schließlich sei die Herzfrequenz grundsätzlich eine höchst individuelle Größe, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Etwa: 

  • Alter: Je älter, desto niedriger wird tendenziell die maximale Herzfrequenz.
  • Geschlecht: Die Herzfrequenz von Frauen ist im Schnitt etwas höher als die von Männern.
  • Fitness: Körperlich trainierte Menschen haben einen geringeren Ruhepuls als untrainierte und die Herzfrequenz sinkt nach Belastung schneller.
  • Art der Belastung: Beim Radfahren oder Schwimmen ist der Puls zum Beispiel im Schnitt niedriger als beim Laufen, da sich der Körper nicht selbst tragen muss.
  • Schlaf: Schlechter Schlaf lässt den Puls steigen.
  • Wetter: Bei großer Hitze oder Kälte erhöht sich die Herzfrequenz tendenziell.
  • Tageszeit: Zum Beispiel ist der Puls nachts niedriger, in der Aufwachphase morgens höher.

Es ist also ratsam, sich nicht auf Pulsbereiche als einziges Instrument zu verlassen, um die Intensität einer körperlichen Belastung zu steuern. Wer es ganz genau wissen möchte, dem hilft eine professionelle Leistungsdiagnostik.

Belastungsempfinden

Einsteigerinnen und Einsteiger, denen es schlicht darum geht, etwas für ihre Gesundheit zu tun und etwas Gewicht zu verlieren, können laut Geesmann den Puls auch mal Puls sein lassen und sich nach der RPE-Skala richten (RPE = Rate of Perceived Exertion). Die bewertet die wahrgenommene Anstrengung anhand einer Skala von 0 bis 10. 

Dabei bedeutet 1 beispielsweise „sehr leicht“ und 10 „sehr, sehr anstrengend“. „Diese Art der Intensitätssteuerung nach Gefühl eignet sich besonders gut für Sportarten mit wechselnder Belastung wie Crossfit oder solchen, die sich mittels Puls nicht gut steuern lassen, wie Kraftsport“, weiß Geesmann.

Hilft der Fettverbrennungspuls wirklich beim Abnehmen? 

Gibt es ihn also, den optimalen Puls zum Abnehmen? Es stimmt zumindest, dass der Körper bei niedrigen Intensitäten prozentual mehr Fette verstoffwechselt. Interessanter als dieser relative Anteil des Fettverbrauchs ist aber die absolute Menge – und die ist bei mittleren Intensitäten höher. 

Auch wenn der Fettverbrennungspuls heute als überholt gilt, kann die Herzfrequenz beim Sport Orientierung zu unterschiedlichen Trainingseffekten geben.

Auch wenn der Fettverbrennungspuls heute als überholt gilt, kann die Herzfrequenz beim Sport Orientierung zu unterschiedlichen Trainingseffekten geben.

Zudem könnte intensiveres Training den sogenannten Nachbrenneffekt verstärken. Der entsteht, wenn der durch Belastung angestiegene Energieverbrauch nach der Belastung noch eine Weile anhält. „Das Konzept des Fettverbrennungspulses ist aus sportwissenschaftlicher Sicht lange überholt“, erklärt Sportwissenschaftler Geesmann deshalb.

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Grundsätzlich verteufeln möchte er den Mythos vom Fettverbrennungspuls dennoch nicht: „Jede Art von Bewegung verbessert die Leistung. Und wenn sich die Leistung verbessert, verbessert sich automatisch auch der Fettstoffwechsel“, weiß er. Das bedeutet, wenn sich jemand, der bisher keinen Sport getrieben hat, angeregt durch die Idee des Fettverbrennungspulses dazu aufrafft, sich regelmäßig zu bewegen, hilft das auf jeden Fall. Denn dadurch wird sein oxidativer Stoffwechsel, das ist der aerobe, der mithilfe von Sauerstoff arbeitet, angekurbelt, was zu einem gesunden Abnehmen beitragen kann.

Statt Fettverbrennungspuls: Fokus auf das Verbrennen von Kalorien legen

Einen festen Pulsbereich einzuhalten, das alleine reicht nicht aus, um effizient Fett zu verbrennen. Wer Gewicht verlieren möchte, sollte eher versuchen, möglichst viele Gesamtkalorien zu verbrennen, als den Fettumsatz zu maximieren. Den perfekten Puls beim Sport zum Abnehmen gibt es nicht.

Wie entstand der Mythos vom Fettverbrennungspuls? 

Der Mythos vom Fettverbrennungspuls entstand mutmaßlich, weil hier ein paar Begrifflichkeiten gleichgesetzt wurden, die nicht das Gleiche bedeuten. Fettverbrennung heißt im sportlichen Kontext nämlich nicht, dass der Körper gezielt ungeliebte Fettpölsterchen abbaut, sondern dass er seine Energie aus den Fettreserven zieht. Fettverbrennung ist hier also nicht gleichzusetzen mit Abnehmen. 

Wenn Trainierende Gewicht verlieren, liegt das nicht am „optimalen Fettverbrennungspuls“, sondern eher daran, dass sich eine moderate Belastung bei niedrigem Puls länger durchhalten lässt und man so mehr Kalorien verbraucht. Aus welcher Quelle diese Kalorien stammen und bei welchem Puls genau sie verbrannt werden, ist aber letztlich unerheblich. Wer abnehmen möchte, muss schlicht mehr Kalorien verbrauchen als er in Form von Nahrung aufnimmt.

Was hilft wirklich, um den Körperfettanteil zu reduzieren? 

Das Beste für die Fettverbrennung ist ein Mix aus Cardio, Krafttraining und der richtigen Ernährung.

Ein Mann steht in der Küche, kocht und würzt Garnelen.

Ausdauertraining

Sportwissenschaftler Geesmann empfiehlt eine bis zwei moderate Ausdauereinheiten pro Woche, zum Beispiel lockeres Joggen, Radfahren oder Spazierengehen. Ergänzend eine bis zwei intensive Trainings in Form von Crossfit, Fußball oder Jumping Fitness. Beides verbessert die Leistung sowie die Sauerstoffaufnahme und damit den Fettstoffwechsel. 

Krafttraining

Dazu kommen eine bis zwei Einheiten Krafttraining pro Woche, entweder in Form von Training mit dem eigenen Körpergewicht zu Hause oder als professionell angeleitetes Training mit Gewichten im Fitnessstudio. Muskelaufbau statt Fettverbrennungspuls ist das Motto. „Denn“, so erklärt der Sportwissenschaftler, „fettfreie Muskelmasse will im Gegensatz zu Fettdepots auch im Ruhezustand versorgt werden. Sie verbraucht also dauerhaft Energie, während Fett einfach nur rumhängt.“ 

Ernährung

Das Fettverbrennungstraining kann aber noch so gut geplant sein: Wer sich vorher Kohlenhydrate satt einverleibt, zum Beispiel in Form von hellen Brötchen mit Nuss-Nougat-Creme, bremst sich selbst aus. Denn hat der Körper Kohlenhydrate zur Verfügung, wird er immer die zuerst verstoffwechseln, da dies schneller und leichter geht. Deshalb vor dem Training eher eiweißlastig snacken, beispielsweise einen Quark mit Früchten.

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